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Sitzt der Babyelefant noch immer bei Ihnen im Team?

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Babyelefant Foto

Sie erinnern sich bestimmt noch an den Babyelefanten, jene von einer Marketingagentur entwickelte Idee, um auf notwendiges physical distancing in der damals noch jungen Covid19-Pandemie hinzuweisen.

Neulich habe ich ihn wieder getroffen. Er stand am Eingang einer Betriebskantine und wirkte etwas im Abseits nach zwei Jahren Pandemie. Und doch erinnerte mich diese Begegnung daran, dass er immer noch da ist.

Der Babyelefant sitzt in Teams, die sich nur selten oder ausschließlich virtuell treffen.

Er ist ein Hindernis, wenn KollegInnen durch den Dauerkrisenmodus belastet sind, der ungezwungene Austausch inklusive tröstender Gesten aber nicht mehr selbstverständlich ist.

Und der Babyelefant verstellt möglicherweise Führungskräften den Blick auf jene Beschäftigte, die Belastungen mit erhöhtem Substanzkonsum zu bewältigen versuchen.

Dass aus dem sinnvollen „physical distancing“ häufig ein ungünstiges, teils auch belastendes „social distancing“ wurde, ist eine Entwicklung, an deren Folgen wir uns noch immer abarbeiten.

Was also tun, damit der Babyelefant nicht zu einem ausgewachsenen „Elefanten im Porzellanladen des Arbeitsklimas und der MitarbeiterInnen-Gesundheit“ wird?

Aus Sicht der betrieblichen Suchtprävention sind folgende Ansatzpunkte sinnvoll:

Fördern Sie ein Klima sozialer Unterstützung

Ein wesentlicher Faktor für die Bewältigung von Stress und arbeitsplatzbezogenen Belastungen ist der Grad an sozialer Unterstützung. Damit sind Arbeitsklima, Vertrauen und die Beziehung untereinander bzw. zur Führungskraft gemeint. Je größer die erlebte soziale Unterstützung ist, desto besser werden Veränderungen und Herausforderungen bewältigt.

  • Stärken Sie die Vertrauensbasis zwischen Ihnen und Ihren Mitarbeitenden, indem Sie regelmäßig Gespräche führen. Dabei können auch das persönliche Befinden, Belastungen und Unterstützungsbedarf thematisiert werden.
  • Würdigen Sie besondere Erfolge, aber auch das Aufrechterhalten von Routineprozessen unter erschwerten Bedingungen. Wertschätzung und (authentisches) Lob sind wesentliche Motivationsfaktoren und Booster für die Arbeitsfähigkeit.
  • Entwickeln Sie eine Unternehmenskultur, die das Hineinwagen in neuartige Aufgaben, das Lernen aus Fehlern und das Einfordern von Unterstützung als Bestandteile professionellen Agierens integriert.
  • Fördern Sie den Austausch der Beschäftigten untereinander. Von gemeinsamen virtuellen Pausen bis zu Teamentwicklungsmaßnahmen in Präsenz sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Gespräche an der Kaffeemaschine sollten jedenfalls nicht mit einem ironischen Kommentar bedacht werden oder Führungskräfte bei all diesen Aktivitäten fehlen. Das Gelebte wirkt stärker als schön formulierte Absichtserklärungen.

Entwickeln Sie ein Sensorium für belastete MitarbeiterInnen

Es braucht (örtliche und zeitliche) Räume, in denen Ihnen auffallen würde, wenn MitarbeiterInnen belastet oder überfordert sind.  Regelmäßiger, nicht ergebnisorientierter Kontakt, idealerweise unter vier Augen, ist in Zeiten von remote work und dezentralen Organisationen jedoch keine Selbstverständlichkeit.

  • Schaffen Sie Gesprächsräume mit allen Ihren Mitarbeitenden. Definieren Sie den Charakter dieser Gespräche durch eigene Erzählungen, die über den engen Arbeitskontext hinausgehen.
  • Sprechen Sie es offen an, wenn Ihnen Mitarbeitende belastet, besorgt, überfordert oder unkonzentriert erscheinen. Aus einer fürsorglichen Haltung heraus signalisiert ein solches Gespräch Interesse am Gegenüber, ermöglicht ihm oder ihr eine ehrliche Antwort und Ihnen das Anbieten von internen oder externen Unterstützungsleistungen. Im Rahmen betrieblicher Suchtpräventionsprogramme werden diese „Fürsorgegespräche“ fix verankert.

Führen Sie Gespräche bei riskantem Substanzkonsum, der am Arbeitsplatz sichtbar wird

Beschäftigte aller Branchen haben in den vergangenen zwei Jahren eine ordentliche Portion Resilienz gebraucht, um gesund durch diese herausfordernde Zeit zu kommen. Manche Menschen entwickeln bei hohen Belastungen ungünstige Bewältigungsstrategien und greifen auf Suchtmittel zurück, um mit Ängsten, Sorgen oder Stress klarzukommen.

Führt der riskante Umgang mit Substanzen (oder auch Medien, Glücksspiel, Internet…) zu verminderter Arbeitsleistung und Auffälligkeiten am Arbeitsplatz, sollten Führungskräfte früh das Gespräch suchen.

  • Sprechen Sie die beobachteten Veränderungen an, drücken Sie Sorge aus und fordern Sie eine Rückkehr zum gewünschten Arbeitsverhalten ein. Bieten Sie aber auch Unterstützung für die Zielerreichung an: Arbeitsmedizin, Beratungsstellen… Ein solches Gespräch ist ein wichtiges Frühinterventionsinstrument und gibt zeitgerecht Rückmeldung, dass eine Korrektur des Konsumverhaltens nötig ist. Erfolgt es frühzeitig, können ungünstige Entwicklungen verhindert werden.

In betrieblichen Suchtpräventionsprogrammen sind diese Gespräche als eskalierendes Vorgehen nach einem Stufenplan geregelt. Ein solcher Handlungsleitfaden erleichtert, das Tabu zu brechen und vom Wegschauen ins Handeln zu kommen.

Wer weiß, vielleicht führt die Metapher des Babyelefanten sogar zu einer neuen Aufmerksamkeit für eigene Grenzen, für passende Nähe und Distanz. Elefanten sind jedenfalls äußerst soziale Wesen. Sie sind meistens in Rudeln unterwegs, besitzen die Fähigkeit zur Empathie und gehen achtsam miteinander um.

Text: Mag.a Rosmarie Kranewitter-Wagner/Institut Suchtprävention

Foto:  alexas_fotos auf pixabay