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Was tun als Kollege

Stepcheck im Betrieb

Suchtprobleme am Arbeitsplatz –
Was tun als Kollege/als Kollegin?

Veränderungen ansprechen – Unterstützung anbieten – eigene Grenzen wahren

Ein Kollege, eine Kollegin in Ihrem Arbeitsumfeld hat sich in letzter Zeit verändert? Sie machen sich Sorgen? Sie vermuten, dass eine Suchtgefährdung oder Sucht die Ursache sein könnte?

Meist sind Kolleg/innen die Ersten, die etwas bemerken, wenn jemand aus dem beruflichen Umfeld einen riskanten Umgang mit Substanzen pflegt oder suchtgefährdet ist. Auch wenn man als Kollege keine so verbindlichen Gespräche führen kann wie Führungskräfte, gibt es Möglichkeiten zu handeln. Sie können der betroffenen Person Ihre Wahrnehmungen mitteilen, Veränderung empfehlen und Hilfe anbieten.

Sie sind aber nicht für die Lösung des Problems verantwortlich und sollten auf Ihre eigenen Grenzen achten. Mit einem suchtkranken Menschen zusammen zu arbeiten kann sehr belastend sein. Suchen Sie daher rechtzeitig Hilfe bei innerbetrieblichen Ansprechpersonen oder professionellen Beratungsstellen. Eine Übersicht über Hilfsangebote finden Sie unter „Auf sich achten und Unterstützung holen“

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Hilfreiches Verhalten als Kollege/als Kollegin

Was Sie tun sollten und was nicht

Wer Suchtprobleme von Kollegen über lange Zeit toleriert und Verantwortung abnimmt statt sie einzufordern, trägt dazu bei, dass sich ungesunde Konsummuster im Laufe der Zeit noch stärker ausbilden. Es kann zu gefährlichen Situationen am Arbeitsplatz kommen und man läuft Gefahr, sich selbst zu überfordern. Gut gemeint ist nicht immer gut.

Was also tun?

  • Übernehmen Sie keine Mehrarbeit, die durch die sinkende Leistungsfähigkeit eines Teammitglieds entstanden ist!
  • Vertuschen Sie Fehler nicht aus falsch verstandener Solidarität!
  • Achten Sie auf Ihre eigenen Belastungsgrenzen und lassen Sie sich nicht von den Problemen anderer vereinnahmen!
  • Suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Kollegen/ihrer Kollegin! Schildern Sie Ihre Beobachtungen, teilen Sie Ihre Sorge mit und bieten Sie gegebenenfalls Hilfe an.
  • Wenn sich trotz des Gespräches nichts verändert und die Situation zunehmend belastend wird, holen Sie sich Unterstützung bei Vorgesetzten, Betriebsmedizin, Betriebsrat oder professionellen Beratungsstellen.
  • Wenn Mitarbeiter/innen berauscht zum Dienst kommen, wenden Sie sich an Ihre Führungskraft. Arbeitnehmer/innen, die sich selbst oder andere gefährden, müssen vom Arbeitsplatz verwiesen werden.

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Ein kollegiales Gespräch führen

Sich vorbereiten – Tipps zur Durchführung – nach dem Gespräch

Jemanden auf einen möglicherweise riskanten Umgang mit Alkohol, Medikamenten, digitalen Medien oder ähnliches anzusprechen, ist nicht leicht. Eine gute Vorbereitung gibt Sicherheit.

Tipps zur Gesprächsvorbereitung:

  • Überlegen Sie, welche Ziele Sie im Gespräch vorwiegend verfolgen.
    Wollen Sie Ihre Wahrnehmungen mitteilen, Hilfe anbieten, die Hintergründe besser verstehen oder Veränderungsabsichten beim Gegenüber bestärken? Jedenfalls können Sie Ziele nur in Bezug auf ihr eigenes Handeln festlegen. Ob Ihr/e Gesprächspartner/in sich verändert, liegt nicht in Ihrer Hand.
  • Notieren Sie Ihre Beobachtungen und Erlebnisse, die Sie im Gespräch mitteilen wollen.
  • Notieren Sie die ersten Sätze für den Gesprächseinstieg.
  • Schaffen Sie eine gute Gesprächsatmosphäre und sorgen Sie dafür, dass Sie nicht gestört werden.

Formulierungshilfen für den Gesprächseinstieg:

  • „Ich schätze dich als Kollegen/als Kollegin und als Menschen. Deshalb ist es mir auch wichtig, dir gegenüber ehrlich zu sein. Auch wenn du mir das vielleicht übel nimmst, möchte ich dir ein paar Dinge sagen, die mir in der letzten Zeit aufgefallen sind. Ich erlebe dich als sehr verändert und mache mir Sorgen um dich…“
  • „Mir fällt auf, dass in letzter Zeit in unserer Abteilung häufig über dich geredet wird – darüber, dass du angeblich Probleme hast. Ich möchte nicht über dich, sondern mit dir sprechen. Mir fällt auch auf, dass du dich verändert hast…“
  • „Ich habe immer gerne mit dir zusammengearbeitet. In den letzten Monaten, ist es für mich aber schwieriger geworden, mit dir zu arbeiten. Ich erlebe dich als…Ich fange an, dich am Morgen zu beobachten, um festzustellen, wie du heute drauf bist. Ich übernehme auch öfter mal Aufgaben von dir. Ich glaube aber, dass das auf lange Sicht nicht gut geht und möchte in Zukunft nicht mehr für dich einspringen…“

Wichtig für die Durchführung des Gesprächs:

  • Sagen Sie ehrlich, was der Grund des Gespräches ist. Nennen Sie konkrete Beobachtungen und Situationen, die Ihnen Sorgen bereiten.
  • Stellen Sie keine Diagnosen. Sie müssen nicht wissen, ob das Konsumverhalten des Gegenübers tatsächlich problematisch ist und verfügen auch nicht über die Kompetenz, Diagnosen zu stellen. „Ob du tatsächlich zu viel trinkst/zu viel Zeit am Handy verbringst/… kann ich nicht beurteilen, aber dein Arbeitsverhalten hat sich verändert…“
  • Bewerten Sie das Verhalten Ihres Kollegens/ihrer Kollegin nicht, sondern bleiben Sie bei Ihren eigenen Wahrnehmungen, Belastungen und Sorgen. „Ich nehme wahr, dass…“ „Für mich ist es zunehmend schwierig…“ „Ich mache mir Sorgen, weil…“
  • Vermeiden Sie Drohungen und Appelle im Stil von „Du wirst abhängig, es wird alles noch viel schlimmer, wenn du nicht…“ Teilen Sie stattdessen sachlich Ihre Beobachtungen mit.
  • Verlangen Sie keine Eingeständnisse vom Gegenüber. Darauf zu beharren, bewirkt möglicherweise, dass der Kollege/die Kollegin sich noch mehr zurückzieht. Man kann niemanden zwingen, sich mit seinem Verhalten auseinanderzusetzen. „Offensichtlich schätzt du die Situation anders ein als ich, mir war es trotzdem wichtig, dir zu sagen, dass ich mir Sorgen mache…“
  • Bieten Sie Hilfe an. Zum Beispiel durch die Weitergabe eines Informationsfolders, durch die Vermittlung zu firmeninternen Anlaufstellen oder zu professionellen (Sucht)beratungsstellen.
  • Bleiben Sie in der Rolle des Kollegens/der Kollegin. Sie sind weder Führungskraft noch Beraterin oder Therapeut.

Nach dem Gespräch – wie geht es weiter?

Möglicherweise ist das Gespräch nicht so verlaufen, wie es sich gewünscht hätten. Dann ist es gut, einen Plan B im Kopf zu haben. Wenn das Gespräch sehr emotional verlaufen ist oder die Situation trotz eines guten Gespräches weiterhin belastend bleibt, holen Sie sich Unterstützung.

  • In einem Gespräch mit Ihrer Führungskraft können Sie die Veränderungen im Arbeitsverhalten des Kollegens/der Kollegin und die daraus resultierenden Belastungen für Sie thematisieren. Der Zusammenhang mit übermäßigem Substanzkonsum muss nicht, kann aber hergestellt werden. Er ist eventuell ohnehin schon bekannt.
  • Ansprechpartner/innen von Betriebsrat, Arbeitsmedizin oder Arbeitspsychologie können ebenfalls beraten und unterstützen.
  • Auch ein Gespräch oder Telefonat mit einer Beratungsstelle kann entlasten und Sicherheit geben.

Wenn sich das Verhaltens Ihres Kollegens/Ihrer Kollegin nach dem Gespräch verbessert, können Sie das rückmelden. Würdigen Sie die Veränderung und ermutigen Sie, weiterhin auf diesem guten Weg zu bleiben.

Scheuen Sie sich aber auch nicht, eine Rückkehr zu alten Verhaltensmustern erneut anzusprechen. Vielleicht braucht der/die Betroffene Unterstützung durch professionelle Berater/innen, um langfristig stabil bleiben zu können.

Weiterführende Information:

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Achtung Falle! Suchtförderndes Verhalten

Gut gemeint ist nicht immer gut

Die Erfahrung zeigt, dass sich Menschen im Umfeld von Suchtkranken meist auf eine bestimmte Weise verhalten. Belastungen werden abgenommen, Fehler vertuscht. Man sieht weg, verharmlost die Situation und spricht zwar über die betroffene Person aber nicht mit ihr. Trotz guter Absicht wird durch solches Verhalten das Problem eher noch schlimmer. Man ist Teil einer suchtfördernden Dynamik. Früher nannte man dies „Co-Abhängigkeit“.

Wenn nicht bewusst gegengesteuert wird, kommt es erfahrungsgemäß zum typischen Phasenverlauf von suchtförderndem Verhalten. Dieser kann sich über viele Jahre erstrecken.

Phasen von suchtförderndem Verhalten

In der „Beschützerphase“ werden Fehler entschuldigt, Belastungen abgenommen, die Situation verharmlost. Man zeigt Verständnis für den konsumierenden Kollegen/die Kollegin.

In der „Kontrollphase“ wird für die betroffene Person nach Lösungen gesucht, es werden Situationen vermieden, die den Konsum z.B. von Alkohol nahelegen und es wird versucht, das Verhalten des/der Betroffenen zu kontrollieren.

In der „Anklagephase“ ist kaum mehr Verständnis vorhanden. Es kommt zu Vorwürfen und offener Aggression. Nun ist es nur mehr schwer möglich, zu konstruktiven Lösungen zu kommen. Die Teammitglieder sind meist nicht mehr bereit, mit der betroffenen Person zusammen zu arbeiten. Häufig kommt es dann zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen.

Daher ist es wichtig, schon erste Auffälligkeiten offen anzusprechen und die Betroffenen mit den Konsequenzen ihres Handelns zu konfrontieren.

Hilfreich dabei ist, wenn es im Betrieb ein Suchtpräventionsprogramm gibt. Es hilft, offen mit dem Tabuthema Sucht umzugehen und ermöglicht Kolleg/innen und Führungskräften, konstruktiv zu handeln.

Informationen:

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Auf sich achten und Unterstützung holen

Sie sind nicht für die Lösung des Problems verantwortlich
  • Achten Sie auf Ihre eigenen Grenzen!
    Meist ist übermäßiger Konsum von Alkohol oder Drogen und anderes Suchtverhalten mit vielfältigen Problemen verbunden: Beziehungskrisen, Schulden, gesundheitliche Einschränkungen, Gesetzesübertretungen…Lassen Sie sich nicht zu sehr von den Problemen anderer vereinnahmen. Für die Problemlösung ist die betroffene Person, ev. unterstützt durch Fachleute, verantwortlich.
  • Scheuen Sie sich nicht, mit Ihren Vorgesetzten über eigene Belastungen zu sprechen, die durch den suchtgefährdeten Kollegen/die konsumierende Kollegin entstehen!
    Langfristig ist niemandem geholfen, wenn Sie aus falsch verstandener Solidarität Ihre eigene Arbeitssituation und Ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigen. Je schneller die Situation geklärt wird, desto besser.
  • Nehmen Sie selber Unterstützung in Anspruch!
    Wenden Sie sich an innerbetriebliche Ansprechpartner/innen wie Betriebsmedizin, Personalabteilung oder Arbeitnehmervertretung. Oder nützen Sie professionelle Beratungsstellen. Diese stehen auch Arbeitskolleg/innen und Angehörigen zur Verfügung.

Beratungsangebote: 

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Ihre Rolle als Mitarbeiter/als Mitarbeiterin

Arbeitsrecht, Möglichkeiten und Grenzen

Als Mitarbeiter/in bemerken Sie möglicherweise sehr früh, wenn jemand im Arbeitsumfeld suchtgefährdet ist. Vielleicht sind Sie der Person freundschaftlich verbunden und kennen Sie bereits viele Jahre.

Arbeitsrecht

Anders als Führungskräfte, die Fehlverhalten sanktionieren können und im Rahmen der gesetzlichen Fürsorgepflicht handeln müssen, wenn Gesundheit oder Sicherheit gefährdet sind, haben Mitarbeiter/innen keine grundsätzliche Verpflichtung, bei Auffälligkeiten aktiv zu werden.

Führt der Substanzkonsum eines Betriebsangehörigen jedoch dazu, dass andere Mitarbeitende gefährdet werden bzw. dem Betrieb Schäden entstehen (könnten), kann aus der im Arbeitsrecht geltenden „Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber“ eine Informationspflicht abgeleitet werden. Aufgrund der Treuepflicht hat ein Arbeitnehmer alles zu unterlassen, was die Interessen des Arbeitgebers schädigt. In besonderen Fällen ist er auch zum Handeln verpflichtet. (Information an den Arbeitgeber wegen drohender Schäden). Natürlich sind bei der Beurteilung dieser Frage aber immer die Umstände des Einzelfalles maßgebend.

Möglichkeiten und Grenzen

Jenseits der rechtlichen Verpflichtung ist es aber jedenfalls hilfreich und sinnvoll, das Gespräch mit der betroffenen Person zu suchen. Sprechen Sie Veränderungen an, die Ihnen Sorgen bereiten und bieten Sie gegebenenfalls Hilfe an. Für den/die Betroffene/n ist dies möglicherweise eine wichtige Rückmeldung, die einen Nachdenkprozess in Gang setzt.

Seien Sie sich aber Ihrer Grenzen bewusst: Die Verantwortung für das Verhalten liegt beim Gegenüber. Sie können und müssen die Probleme nicht lösen.

Aufgrund der Suchtdynamik ist es nicht selten, dass Angesprochene ihren Konsum verharmlosen oder leugnen, aggressiv werden oder in Zukunft den Kontakt eher meiden. Lassen Sie sich davon nicht entmutigen. Ein aktives Vorgehen bewirkt viel eher eine positive Entwicklung als Wegschauen. Wenn Sie unsicher oder belastet sind, holen Sie sich Unterstützung.

Nähere Infos zur Gesprächsführung finden Sie unter „Ein kollegiales Gespräch führen“, zu Unterstützungsmöglichkeiten unter „Auf sich achten und Unterstützung holen“