Zum Inhalt

Suchtgefährdung am Arbeitsplatz – was ich als Kollege/Kollegin tun kann

  • von
Kollege Substanzkonsum Beitrag Juni 2020

Die Corona-Krise hat einschneidende Auswirkungen auf die Arbeitswelt

Viele sind arbeitslos, noch immer in Kurzarbeit oder im Homeoffice. Diese Veränderungen haben ungewohnte Tagesabläufe, Arbeitsplatzunsicherheit und Zukunftsängste zur Folge. Quälende Fragen wie: „Werde ich wieder voll in meinen Beruf einsteigen können?“, „Was soll ich sinnvoll mit der vielen Zeit anfangen?“ oder „Wieso habe gerade ich den Job verloren?“ nagen am Selbstwertgefühl und werden zunehmend zur psychischen Belastung.

Hohe Belastungen, Stress und Ängste können zu vermehrtem Substanzkonsum führen

Jeder geht unterschiedlich mit diesen Belastungen um und je nach persönlicher Lebenssituation, vorhandenen Ressourcen und Bewältigungsstrategien werden diese Anforderungen positiv bewältigt oder können zu Krisen und Krankheit führen. Es kann auch zu erhöhtem Substanzkonsum kommen, der aus Langeweile, aus dem Bedürfnis nach Entspannung, zur Hilfe beim Einschlafen oder zum Vergessen von Sorgen und Zukunftsängsten eingesetzt wird.

Oft sind es Arbeitskolleg/innen, denen beginnender Substanzmissbrauch als erste auffällt. Sei es, weil sie die Auswirkungen am Arbeitsplatz unmittelbar miterleben oder weil sie durch einen engen persönlichen Kontakt Einblick in die aktuelle Lebenssituation ihrer Kolleg/innen haben. Führungskräfte sind oft weiter weg vom täglichen Geschehen und nehmen Veränderungen bzw. negative Auswirkungen von Substanzmissbrauch auf Leistung und Umfeld ihrer Mitarbeiter/innen später wahr.

Wie soll ich mich als Kollege/Kollegin verhalten?

Jede Person ist grundsätzlich für ihr Verhalten selbst verantwortlich. Im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz gibt es aber diesbezüglich Einschränkungen. § 15(4) ASchG sieht vor, dass sich Beschäftigte nicht durch Alkohol, Medikamente oder Drogen in einen Zustand versetzen dürfen, in dem sie sich selbst oder andere gefährden.

Wenn Sie den Verdacht haben, dass jemand an Ihrem Arbeitsplatz suchtgefährdet ist, bringt Sie das oft in eine schwierige Situation. Sie machen sich vielleicht einerseits Sorgen und möchten Hilfe anbieten, andererseits möchten Sie nicht als „Spaßbremse“ dastehen oder eine/n Kollegen/in anschwärzen. Nicht selten führt dies dazu, dass Kolleg/innen über eine beginnende Suchtentwicklung frühzeitig Bescheid wissen, die Situation allerdings nicht direkt ansprechen, sondern gut gemeint darüber hinwegsehen, Fehler ausbessern und der betroffenen Person Arbeit und Verantwortung abnehmen. Dies hat aber häufig genau den gegenteiligen, unerwünschten Effekt. Die Suchtentwicklung wird begünstigt, die betroffenen Kolleg/innen bekommen keine Rückmeldung, dass die negativen Auswirkungen ihres Substanzkonsums auffallen und die Arbeitsleistung mangelhaft ist und müssen so auch keine Verantwortung für eine Veränderung übernehmen.

Ein frühzeitiges Ansprechen ist sinnvoll

Es ist jedenfalls hilfreich und sinnvoll, als Kollege/in frühzeitig das Gespräch mit der betroffenen Person zu suchen. Sprechen Sie jene Veränderungen konkret an, die Ihnen Sorgen bereiten und bieten Sie gegebenenfalls Hilfe an. Für Betroffene kann das eine wichtige Rückmeldung sein, die einen Nachdenkprozess in Gang setzt. Seien Sie sich aber Ihrer Grenzen bewusst: Die Verantwortung für das Verhalten liegt beim Gegenüber. Sie können und müssen deren Probleme nicht lösen.

Wichtig für die Durchführung des Gesprächs:

  • Sagen Sie ehrlich, was der Grund des Gespräches ist. Nennen Sie konkrete Beobachtungen und Situationen, die Ihnen Sorgen bereiten.
  • Stellen Sie keine Diagnosen. Sie müssen nicht wissen, ob das Konsumverhalten des Gegenübers tatsächlich problematisch ist und verfügen auch nicht über die Kompetenz, Diagnosen zu stellen.
  • Bewerten Sie das Verhalten Ihres Kollegens/Ihrer Kollegin nicht, sondern bleiben Sie bei Ihren eigenen Wahrnehmungen, Belastungen und Sorgen. „Ich nehme wahr, dass…“ „Für mich ist es zunehmend schwierig…“ „Ich mache mir Sorgen, weil…“
  • Vermeiden Sie Drohungen und Appelle im Stil von „Du wirst abhängig, es wird alles noch viel schlimmer, wenn du nicht…“ Teilen Sie stattdessen sachlich Ihre Beobachtungen mit.
  • Verlangen Sie keine Eingeständnisse vom Gegenüber. Darauf zu beharren, bewirkt möglicherweise, dass das Gegenüber sich noch mehr zurückzieht. „Offensichtlich schätzt du die Situation anders ein als ich, mir war es trotzdem wichtig, dir zu sagen, dass ich mir Sorgen mache…“
  • Bieten Sie Hilfe an. Zum Beispiel durch die Weitergabe eines Informationsfolders, durch die Vermittlung zu firmeninternen Anlaufstellen oder zu professionellen (Sucht)beratungsstellen.
  • Bleiben Sie in der Rolle des/r Kollegen/in, Sie sind weder Führungskraft noch Beraterin oder Therapeut.

Auf sich selbst achten und Unterstützung holen

Als Kollege/Kollegin sind Sie nicht für die Lösung des Problems verantwortlich. Wenn sich die Situation durch das Ansprechen nicht verändert, sollten Sie auf folgendes achten:

  • Achten Sie auf Ihre eigenen Grenzen! Lassen Sie sich nicht zu sehr von den Problemen anderer vereinnahmen.
  • Scheuen Sie sich nicht, mit Ihren Vorgesetzten über eigene Belastungen zu sprechen. Langfristig ist niemandem geholfen, wenn Sie aus gut gemeinter Solidarität Ihre eigene Arbeitssituation und Bedürfnisse vernachlässigen oder Ihre Arbeitssicherheit gefährden.
  • Nehmen Sie selber Unterstützung in Anspruch! Wenden Sie sich an z. B. Betriebsmedizin, Arbeitnehmervertretung oder nützen Sie professionelle Beratungsstellen. Diese stehen auch Arbeitskolleg/innen und Angehörigen zur Verfügung

Weiterführende Informationen erhalten Sie hier:  

Was tun als Kollege/Kollegin? STEPcheck.at

Beratungs- und Hilfeangebote in Oberösterreich

Angebote der betrieblichen Suchtprävention

Text: DSA Herbert Baumgartner, MA/Institut Suchtprävention Linz

Foto: pixabay.com